Geschichtliches
Auf den Spuren des LKH Graz II: Standort Süd
Vor anderthalb Jahrhunderten lag das Grazer Feld südlich der Stadt noch nahezu unverbaut da. Die weitläufigen Felder durchschnitt neben der Mur die Südbahnlinie von Wien nach Triest, die teils dem Verlauf der Alten Poststraße folgte. Einen halben Kilometer westlich davon befand sich ein gut erhaltener Gutshof samt Wirtschaftsgebäude und umliegenden Feldern, seiner Lage gemäß „Feldhof“ genannt. Hier beginnt die Geschichte der steirischen Landesnervenklinik, wie wir sie heute kennen.
Mit ihrem berühmten Direktor Richard Freiherr v. Krafft-Ebing (1873–1880) wurde die „Irrenanstalt am Feldhof“ vorübergehend auch Sitz der neu gegründeten Psychiatrischen und Nerven-Klinik. Sein Nachfolger als Klinikvorstand, Julius Wagner Ritter v. Jauregg, hielt auch Vorlesungen am Feldhof. 1927 wurde er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet und Mitte der sechziger Jahre Namengeber der heutigen Adressen Wagner-Jauregg-Platz und Wagner-Jauregg-Straße (vormals Feldhofstraße).
Die zunehmende Überfüllung der Anstalt bewog um die Jahrhundertwende zur Einrichtung von vier auswärtigen Filialen (Lankowitz, Kainbach, Hartberg, Schwanberg), zum Zukauf eines benachbarten Gutshofes (Wenzelshof oder Haselhof genannt) sowie zur Errichtung mehrerer Neubauten. Dazu zählten der rückwärtige Teil des Hauptgebäudes, eine große Pflegeabteilung (D-Gebäude) und ein Isolierhaus. Zur besseren Versorgung entstanden auch ein neues Beamtenhaus, der Wasserturm und eine neue Küche. Seit 1905 in Betrieb, gilt der weithin sichtbare Wasserturm bis heute als Wahrzeichen der Landesnervenklinik.
Lebensmittelmangel und Kohlennot in der Zeit des Ersten Weltkriegs lösten ein großes Sterben aus. Dieser humanitären Niederlage wirksam zu begegnen, schien erst mit der Besserung der Wirtschaftslage um die Mitte der zwanziger Jahre möglich. Als Signal für den erneuerten Respekt vor den Patienten erfolgte 1925 die Umbenennung der vormaligen „Irrenanstalt“ in eine „Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“. Den Worten sollten auch Taten folgen: ein neues Ärztewohnhaus, die Modernisierung der alten Tobtrakte mit mehr Licht und neuen Bädern und ein energiesparendes Fernheizwerk für mehr Wärme im Winter zählten zu wesentlichen Fortschritten gegen Ende der zwanziger Jahre, um 1930 dokumentiert in einer neuen Ansichtskartenserie.
Der Zweite Weltkrieg bildete den Hintergrund für ein beispielloses Vernichtungsprogramm, das unter dem Decknamen „Aktion T4“ möglichst geheim ablaufen sollte. Dahinter verbarg sich eine systematische Tötungsaktion, die 1940/1941 die Zahl der Feldhofpatienten etwa halbierte und den Feldhof in Verruf brachte. Erst das Kriegsende ermöglichte eine neuerliche Trendwende. Die Beseitigung der Bombenschäden, Einrichtung einer neuen Großwäscherei und Einführung der medikamentösen Therapie gaben um 1950 wieder Anlass zu Optimismus.
Bisher eine Anstalt für Geisteskranke, öffnete sich der „Feldhof“ in den sechziger Jahren für neue Patientengruppen: schädelverletzte Verkehrsopfer, Schlaganfallpatienten, Alkoholiker. Demgemäß und zur Vermeidung des unliebsamen alten Namens erfolgte 1967 die Umbenennung in Landes-Nervenkrankenhaus (LNKH) Graz. Zur Abhilfe des Schwesternmangels und Professionalisierung wurde um dieselbe Zeit die Psychiatrische Krankenpflegeschule eröffnet.
Zwischen 1970 und 1984 entstanden mit dem E-Gebäude (renoviert bis 2005) und K-Gebäude umfängliche Neubauten mit knapp 400 Betten. Als Weiterbildungseinrichtung der KAGes wurde 1994 die ASK (Akademie der Steiermärkischen Krankenanstalten) im Anstaltsgelände eröffnet. Die heutige Anstaltsbezeichnung „Landesnervenklinik Sigmund Freud“ besteht seit 1999 und signalisiert eine im Rahmen des Projektes „LNKH 2005“ eingeleitete Trendwende. Das vormalige Landes-Nervenkrankenhaus entwickelt sich damit zu einer „Schule für ein neues Leben“.